autofokus






autofokus setzt sich in einer der Romantik verpflichteten Sprache mit Natur auseinander, projiziert und hinterfragt dabei in spezieller, subjektiver Weise die eigene Position und Wahrnehmung.

autofokus ist eine mehrteilige Videoarbeit, bestehend aus 5 in Augenhöhe nebeneinander montierten Flachbildschirmen, analog zur Präsentation klassischer Tafelbilder.
Die gezeigten Filme laufen gleichzeitig, ohne Ton, sind zwischen 10 und 15 Minuten lang und werden als Filmschleife ohne direkten gegenseitigen Bezug ins Unendliche fortgeführt. Wechsel und Bearbeitung der jeweiligen Motive entsprechen der tatsächlichen Aufnahmezeit und weisen keinerlei spezielle Dramaturgie auf. Als ungeschnittenes Rohmaterial bleiben die Filme fragmentarisch. Technische Eingriffe an der Kameraoptik ermöglichen zum einen, Tiefenschärfe als Bild-gestaltungsmittel einzusetzen, erfordern zudem auch eine intuitivere Kameraführung.

Mit dem subjektiven Blick der Kamera und ihrem begrenzten Sichtfeld begeben wir uns in den Lebensraum einer seltenen Spezies, die nicht näher definiert wird. In der Subjektive ohne Protagonist wird die Orientierung hinfällig.
Obsessiv und insektenartig bewegt sich die Kamera in langsamer Geschwindigkeit in einem Mikrokosmos aus Zweigen, Früchten, vertrockneten Sträuchern, Gräsern und Blättern - suchend, herantastend, teils stockend, fixierend und sich wieder in Unschärfen verlierend, so das nur noch Farbflecke auszumachen sind. Der Blick der Kamera wechselt permanent zwischen extremen Detailaufnahmen und größeren Ausschnitten, verbleibt dabei jedoch immer in relativer Nähe zum Objekt.
Die Bilder variieren zwischen Schärfe und extremer Unschärfe und erzeugen durch die geringe Tiefenschärfe der eingesetzten Kameraoptik eine fast physische dreidimensionale Räumlichkeit. Aufgrund dieser speziell gebauten Optik wird auch das Videobild mit einer stetig bleibenden Struktur überzogen, die dabei die Klarheit der Bildqualität aufhebt und den Bildern einen malerischen Anschein verleiht. Anke Ziemek/ Tarik Schirmer


---> Video der Ausstellungssituation



Auszüge aus: "Die Natur rauscht. Der Mensch denkt. Gibt es etwas, das beides kann?" von Falk Strehlow, erschienen im Schöngeist ("magzin für kunst_leben_denken") Berlin 2007, Heft Nr. 12 "Im Rausch der Natur":



Die Natur rauscht. Der Mensch denkt. Gibt es etwas, das beides kann?

[] Eine anerkannte Definition von „Information“ lautet: Information ist die Abwesenheit von Rauschen; und so lautet ihre umkehrende Bestimmung: Rauschen ist die Abwesenheit von Information. Rauschen läßt sich nicht enkodieren bzw. dekodieren; es läßt sich nicht zergliedern oder kategorisieren. Rauschen und Natur kennen weder Semantik noch Syntax.

[] Das Rauschen der Natur entsteht als ein sonderbares Verhältnis zwischen einem Empfänger und einem Nicht-Gesendeten. [] Das Rauschen ist genuin nicht adressatenbezogen. Es ist nicht intendiert, nicht gemeint und nicht gezielt eingesetzt; es kennt weder Plan noch Richtung. Rauschen hat kein Telos. Es ist einfach nur da. Es will uns nichts sagen.

[] Da nun aber die Natur (und ihre jeweilige Erscheinungsform) nicht an den Menschen gerichtet ist, sondern vielmehr an nichts und niemanden, trifft sie (und mit ihr das Rauschen) auf eine ganz besondere Weise nur auf ein ihr gegenüber offenes Ohr.

[] Konditioniert, Signale zu hören, zu dechiffrieren und schließlich zu verstehen, sieht sich die menschliche Wahrnehmung einem Phänomen gegenüber, das gerade keinen Zeichenwert aufweist, sondern einfach nur sinn- und absichtsloses Rauschen ist – und sonst gar nichts. Was soll das? [] Wie empfängt man etwas, das nicht gesendet wird?

[] Die hier vertretene These lautet: Die erforderliche Grundhaltung für ein Hören von etwas, das kein Signal ist – sondern reiner Ton –, hat in der Kulturgeschichte des Menschen mehr und mehr an Bedeutung verloren. Und diese Tendenz hält ungehemmt an. [] In einer anthropozentristischen Welt sieht, hört und spürt der Mensch nur noch sich selbst – das System der Gattung ist auf Autoreferenzialität eingerastet. Der Mensch hört nur noch dem Menschen zu (wenn nicht gar ein einzelner Vertreter seiner Art in der sich durchsetzenden Lebensweise des autistischen Sozialcharakters nur noch sich selbst, einen einzelnen Vertreter seiner Art, sieht, hört und versteht).

[] Das „Wunder“ des Empfangs von etwas Nicht-Gesendetem – quasi die Audienz der Natur beim Menschen – geschieht durch das Sich-klein-Machen des (menschlichen) Empfängers.

[] Doch die Natur vernehmen bedeutet Entgegenkommen bis zur Selbstaufgabe; und die Lehrerin von Rauschen (und ebenso von Rausch) heißt Demut. Sie lehrt uns die Lücke im Ablauf des Sender-Empfänger-Modells. So wird der Empfang zur Empfängnis.


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